Verliert die (akademische) Heilpädagogik das Subjekt aus den Augen? Beziehungsweise: Nehmen wir diejenigen mit, über die wir im wissenschaftlichen Diskurs sprechen?
In dieser Vorlesung werden wir uns der Frage widmen, wie wir in der Heilpädagogik Theorie und Praxis in ihrer Unterschiedlichkeit aber auch Gemeinsamkeit zusammendenken sollten und dabei das Subjekt in seinem So-Sein nicht aus dem Mittelpunkt verlieren dürfen.
Heilpädagogik als angewandte Wissenschaft muss die Komplexität des Handlungsfeldes stets vor Augen haben. Allerdings scheint die Heilpädagogik in Akademie und Wissenschaft zunehmend in einen Zwiespalt zu geraten: auf der einen Seite die akademische Ausbildung mit Systemanalysen und Diskursen, z.B. über Behinderung, Inklusion und Teilhabe, auf der anderen Seite ein Arbeitsfeld, auf das sich angehende Heilpädagog:innen, in Bezug auf die vielfältigen „menschlichen“ Herausforderungen, vorbereitet wissen müssen.
Will die Heilpädagogik als Handlungs-Wissenschaft verstanden werden, dann geht es immer um subjektiv erfahrene Handlungswirklichkeit des Menschen. In Selbstkritik müssen sich die Heilpädagogik als Profession und Fachkräfte der Praxis stets fragen: Geht es in einer heilpädagogisch ethischen Arbeit und damit Verantwortung um meine Zielperspektiven oder geht es um die einzelne Person und ihre subjektiven Perspektiven (Bedürfnisse, Lebenslagen etc.)? Im Erstgenannten läuft die Heilpädagogik Gefahr, diejenigen „zu verlieren“, die Inhalte der (wissenschaftlichen) Diskurse sind – Menschen als Subjekte.
Theorie ist im Spannungsfeld zur angewandten Praxis kritisch zu reflektieren, wenn sie im praktischen Kontext verankert und verstanden sein will. Was wir sonst erleben, ist und bleibt eine „intellektuelle“ Debatte ohne Anwendungsbezug und damit eine nicht zu überwindende Distanz zwischen den jeweiligen Denk- und Erfahrungswelten. Nun ist aber auch das Handlungsfeld der Heilpädagogik stets im Spiegel wissenschaftlicher Analyse und theoretischer Fragen zu sehen.
„Heilpädagogische Reflexion steht also vor einer komplexen Aufgabe. Sie muss sich zum einen auf empirische Fakten beziehen; zum anderen muss sie hermeneutisch und phänomenologisch versuchen, den Anderen und seine Situation in das eigene erklärende System einzupassen, aber dabei begäbe sie sich in Gefahr, ihn zu veräußern, seine innere Welt zu missachten und sich ihm zu entfremden“ (Speck 2008, S. 22).
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